Am vergangenen Wochenende fand das traditionelle Novemberkonzert des Attendorner Kammerorchesters im Rivius Gymnasium in Attendorn statt. Auch in diesem Jahr wurde der Mut, zwei Konzerte zu veranstalten, wieder mit einer großen Zuschauerzahl belohnt.
Nachdem die Vereinsvorsitzende Barbara Wilkmann die gespannten Zuhörer, mit ihrer gekonnten und lockeren Art, auf den ersten Konzertteil eingestimmt hatte, wurde der abwechslungsreiche Abend mit Nr. 11, 7 und 6 aus den 12 deutschen Tänzen KV 586 von Wolfgang Amadeus Mozart eröffnet. Die durch zahlreiche Bläser unterstützten Streicher präsentierten sich von Anfang an in einer unglaublichen Spielfreude. Ihr gut aufgelegter Dirigent Valid Agayev unterstrich das facettenreiche Musizieren des gesamten Orchesters mit seiner ausdrucksstarken Art. Das Publikum fühlte sich in einen Tanzsaal der Wiener Klassik hineinversetzt.
Zum Höhepunkt des Konzertes wurde der zweite Programmpunkt, das Konzert für zwei Klarinetten und Orchester op. 35 von Franz Krommer, ein weiteres Werk aus der Wiener Klassik. Mit den beiden heimischen Solistinnen Gudrun Schumacher und Ines Schmitz – Hertzberg hatte die Vorsitzende wieder einmal ein Gespür für die Vorlieben des Konzertpublikums bewiesen. Nach einem rasanten Orchestervorspiel setzen die beiden Klarinetten beherzt ein. Das Publikum konnte miterleben, was es bedeutet, wenn sich zwei Solistinnen sehr gut kennen. Die Synchronität der zahlreichen Läufe, die Homogenität der Phrasierung und die perfekte Intonation ließen keine Wünsche offen. Im Adagio des 2. Satzes konnten sich die Solistinnen ganz frei über dem dezent begleitenden Orchester entfalten. Im Rondo des 3. Satzes stand noch einmal die Virtuosität im Vordergrund. Wer die Augen schloss, konnte keinen Unterschied zwischen den beiden Instrumentalisten erkennen. Sie verschmolzen zu einer Einheit. Auch hier zeigte das gesamte Orchester wieder einmal seine Klasse. Einfühlsam, aber nie unterwürfig, begleitete es die verwobenen Solostimmen und wusste sich in den Tuttipassagen richtig in Szene zu setzen. Nach einem nicht enden wollenden Applaus bedankten sich die beiden Solistinnen mit einem slawischen Tanz von Antonin Dvorak.
Der zweite Teil des Programms stand ganz unter dem Motto „Shalom Attendorn 2018“, an dem sich das Kammerorchester mit diesem Konzert beteiligte. Den Anfang machte die Streichersinfonie Nr. 10 des jüdischen Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy. Schon das einleitende Adagio konnte überzeugen. Die in dem gesamten Werk geteilten Violastimmen gaben dem Stück eine enorme Tiefe.
Mit viel Schwung fügte sich das Allegro nahtlos an. Die gut herausgearbeiteten dynamischen Kontraste ließen die Sinfonie nie langweilig werden. In dem im Presto gehaltenen Schlussteil brillierten die Streicher durch rasante tonleiterartige Passagen.
Das Intermezzo von Franz Schreker, dessen Stücke in den späten 20-iger Jahren Angriffsobjekte der Kulturpolitik der Nationalsozialisten waren, entführte das Publikum in eine ganz andere Klangwelt. Nicht nur die für viele etwas ungewohnte Harmonik, sondern auch die zu einem Nonett ausgeweitete Stimmenanzahl machte den besonderen Reiz aus. Das reine Streicherwerk stellte an die Musiker des Orchesters hohe Ansprüche in Tonumfang und Interpretation. Allein in der 1. Stimme galt es in sonst eher seltene Tonhöhen vorzustoßen. Souverän und selbstbewusst wurde jede auch noch so hohe Hürde genommen.
Das sich anschließende Lullaby von George Gershwin versetzte das Publikum wieder in eher vertrautere Harmonien. Es lud das Publikum zum Träumen ein, was durch die gut herausgearbeiteten langsamen Ragtime – Synkopen aber niemals einschläfernd wirkte.
Das sollte sich auch als gut erweisen. Denn das nun auf dem Programm stehende Kol Nidrei op. 47 von Max Bruch war ein besonderes Erlebnis. Für die ausgewählte Fassung für Viola und Orchester betraten nun die Bläser wieder die Bühne. Mit der Solistin Anastasia Matveeva gelang dem Orchester ein weiterer Glücksgriff. Die zierlich wirkende Solistin verstand es, ihrem Instrument erstaunliche Töne zu entlocken. Ihr warmer und dunkler Klang spiegelte eindrucksvoll den feierlichen, klagenden und jubelnden Synagogalgesang wieder, der von dem nach wie vor sehr konzentriert spielenden Orchester unterstützt wurde. Valid Agayev beeindruckte durch die Art und Weise seines Dirigats, sicher und mit besonderer Sensibilität, sich selbst zurücknehmend, um der Solistin die verdiente Aufmerksamkeit zu überlassen.
Mit Themen von John Williams aus den bekannten Filmen „Schindler´s List“, „Angela´s Ashes“ und „Hymn To The Fallen“ setzte das Orchester einen eindrucksvollen Schlusspunkt. Sehr emotional und klanglich sensibel wurden die unterschiedlichen Stimmungen der verschiedenen Themen dargestellt. Gleich zu Beginn überzeugte die Konzertmeisterin Claudia Narnhofer mit einem gefühlvollen Solopart. Man merkte den Musikern an, dass diese Stücke sie selbst sehr bewegten. Keine unnötige Körperbewegung oder Mimik lenkte von der eigenen Wirkung der Musik ab. Der Dirigent ließ die letzten Klänge bis ins Nichts verklingen.
Das Publikum war zunächst wie erstarrt. Der sich anschließend entladende Applaus machte deutlich, wie sehr die Zuhörer berührt waren.
Dieses begeisternde Konzert sollte aber nicht ohne Zugabe enden. Mit dem berühmten Jazz – Walzer von Dimitri Schostakowitsch, der viele zum Klatschen animierte, wurden die Zuhörer schließlich entlassen.
Ein derartig gelungener Abend lässt auf weitere tolle Konzerte des Attendorner Kammerorchesters hoffen.