Ein Liebhaberorchester im Südsauerland mit einer 70-jährigen Geschichte

Es ist schon besonderer Erwähnung wert, wenn ein Streichorchester im Südsauerland auf eine 70 – jährige Geschichte zurückblicken kann, in einer Region, in der traditionell eher die Bläsermusik zuhause ist. Dem Kammerorchester Attendorn als einem nur aus Streichern bestehenden Liebhaberorchester ist dieses Kunststück gelungen; ein besonderer Anlass, zu Beginn des Jubiläumsjahres 2022 der Stadt Attendorn und sich selbst mit einem großen Orchesterkonzert alles Gute zum Geburtstag zu wünschen.

Foto – Privat

Was in der Presse schon vor 10 Jahren als „musikalische Erfolgsgeschichte in Attendorn“ betitelt wurde, nahm seinen Ursprung Ende 1951 mit der Überlegung, junge Menschen für die klassische Musik und das Orchesterspiel zu gewinnen, und bereits ein Jahr später, 1952 mit der Gründung eines Jugendorchesters unter der Leitung von Edwin Roth. Das Jugendorchester etablierte sich als gefragter Klangkörper, wurde im Laufe der Jahre zum „Jugendkammerorchester der Stadt Attendorn“ und 1972 parallel zur 750- Jahrfeier der Stadt Attendorn zum „Kammerorchester Attendorn“ – ein Zeichen der veränderten Altersstruktur und einer beabsichtigten Öffnung des Orchesters für alle Altersklassen.
Seit 1995 ist das Kammerorchester ein eingetragener gemeinnütziger Verein mit dem Zweck der „Förderung und Pflege der Orchester- und Kammermusik“. Den Vereinsvorsitz übernahm Barbara Wilkmann – Mitglied der ersten Violinen- im Jahr 2004 und leitet seitdem die Geschicke des Attendorner Orchesters.

Heute gehört das Kammerorchester zu den wenigen noch als reines Streichorchester agierenden Klangkörpern im Liebhaberbereich und hat Mitglieder aus dem gesamten Gebiet des Kreises Olpe, dem Siegener und Märkischen Kreis. Die Stimmführer der ersten und zweiten Violinen sind Geigenlehrer aus dem hiesigen Raum. Nach jahrelanger Tätigkeit von Gabriele Fuchs- Rinscheid als Konzertmeisterin wird das Kammerorchester seit 2015 durch die Geigerin und Musikpädagogin Svenja Kohlmann als Konzertmeisterin angeführt. Das Orchester setzt sich im Übrigen aus 20 guten Hobbymusikern aller Altersklassen zusammen.

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Herzstück der Orchesterarbeit sind die wöchentlichen Proben in der Aula des Rivius Gymnasiums zur Vorbereitung der 2-3 Auftritte pro Jahr. Neben dem in aller Regel im Herbst stattfindenden Jahreskonzert gestaltet das Orchester Konzerte in Kirchen und bietet kleinere Orchestermusiken an verschiedenen Veranstaltungsorten. Zuletzt zählten dazu u.a. kammermusikalische Darbietungen im Museum Südsauerland und die Aufführung von Humperdincks „Hänsel und Gretel“ zusammen mit dem Kindergarten Villa Kunterbunt während des Weihnachtsmarktes in der Attendorner Innenstadt.
Wichtig war und ist dem Orchester eine Einbindung von hiesigen Musikern aus Musikschule oder freiberuflicher Tätigkeit, die sich solistisch oder als Mitspieler im Ensemble an den Konzerten beteiligen, sowie ein gelegentliches Zusammenwirken mit den Chören. Zu seinen Hauptkonzerten verstärkt sich das Kammerorchester je nach Programm durch Profi- Bläser aus den Musikschulen, der Philharmonie Südwestfalen oder der Musikhochschule Köln; mit vielen von ihnen besteht seit Jahren eine freundschaftliche Partnerschaft.

Das Orchesterleben hatte im Laufe der langen Zeit sicherlich seine Höhen und Tiefen, aber getragen von der Liebe zur Kammermusik und der Freude am gemeinsamen Musizieren hat sich das Kammerorchester stetig fortentwickelt und zeigt sich seit Jahren mit einem beachtlichen musikalischen Niveau, einer erstaunlichen Kreativität in der Auswahl seiner Musikliteratur und einer glücklichen Hand in der Präsentation hochkarätiger Solisten.

Motor dieser Entwicklung waren und sind die musikalischen Leiter des Kammerorchesters. So hat insbesondere Werner Fichten, der als junger Geiger schon die Gründung des Orchesters miterlebte und später lange als Konzertmeister wirkte, diesem, seinem Orchester, als Dirigent mit Herzblut und der ihm eigenen, ansteckenden Begeisterung für die Gestaltung von Musik seine ganz besondere Handschrift verliehen. Ab 1984 lag der Dirigierstab in seinen Händen, zunächst im Wechsel mit seinem Stellvertreter Hans- Georg Diez, dann in alleiniger Verantwortung für mehr als 30 Jahre.
Werner Fichten widmete sich der Musik vom Barock und der Frühklassik bis zur Moderne und unternahm mit Werken u.a. von Parry, Britten, Elgar und Warlock interessante Ausflüge in die englische Musikliteratur des 20. Jahrhunderts. Unvergessen sind seine zahlreichen Konzerte mit hochbegabten jungen Musikstudenten und Nachwuchssolisten wie damals Kathrin Heimann, Björn und Gerhard Vielhaber, Sebastian Bürger, Antonia Zimmermann , Barbara Pöggeler, Vanessa Gembries, schließlich mit der erst 19-jährigen Pianistin Inge Du in der Stadthalle zum 60. Geburtstag des Orchesters und der jungen Geigerin Lika Yakupova zur Feier seines 30-jährigen Dirigentenjubiläums, mit der Werner Fichten 2015 die Leitung des Orchesters an seinen Nachfolger Valid Agayev übergab.
Der 30- jährige, aus Baku stammende Valid Agayev setzte neue Impulse hinsichtlich der Auswahl und Interpretation von Werken der Romantik und Neuzeit und präsentierte Musik aus seiner Heimat. Das große Konzert des Kammerorchesters im Rahmen des 200- jährigen Kreisjubiläums in der Stadthalle 2017 mit der Harfenistin Emilie Jaulmes war sicherlich ein Höhepunkt seines musikalischen Wirkens in Attendorn wie auch das das viel beachtete Konzert zu „Shalom Attendorn 2018“, in welchem Musik jüdischer Komponisten auf dem Programm stand, im Mittelpunkt das bekannte „Kol Nidrei“ von Max Bruch.

Die Corona Pandemie bedeutete auch für das Kammerorchester eine lange Pause in seiner Proben- und Konzerttätigkeit, während der Valid Agayev das Dirigat beim Kammerorchester beendete, um seine Laufbahn im Ausland fortzusetzen.
Anfang September 2021 konnte das Kammerorchester endlich seinen regulären Probenbetrieb wieder aufnehmen und bereitet sich seitdem mit neuem Elan und Optimismus auf sein nächstes Konzert am letzten Januarwochenende 2022 vor, wenn es heißt „Happy Birthday“ zum 800 – jährigen Jubiläum der Stadt Attendorn und zum 70. Geburtstag des Orchesters.
Als musikalischen Leiter dieses Konzerts hatte der Vorstand des Kammerorchesters bereits im Frühsommer den Dirigenten Anar Bramo aus Köln verpflichten können. Der 1981 geborene Geiger Anar Bramo studierte bei namhaften Professoren in Baku, Essen, Köln und Graz. Neben seiner Tätigkeit in der Philharmonie Südwestfalen konzertiert er national und international solistisch wie kammermusikalisch und widmet sich parallel dem Dirigat nach Studien bei renommierten Professoren u.a. in Hamburg, Detmold, Düsseldorf und Köln.

Für das Jubiläumskonzert in Attendorn erarbeitet er mit dem Kammerorchester ein festliches Programm mit Werken von Johann Sebastian Bach, Joseph Haydn, Johannes Brahms, Jules Massenet und sicherlich als Höhepunkt mit dem Violinkonzert Nr.4 D-Dur von W.A. Mozart. Dem festlichen Anlass entsprechend übernimmt mit Aleksey Semenenko ein herausragender, zur Weltelite der jungen Generation gehörender Geiger den Solopart – für das Orchester und auch für Attendorn eine besondere Ehre, ein derartiges Talent auf der Bühne empfangen zu dürfen.
Das Publikum kann sich zusätzlich auf eine eigens für dieses Datum vom Kammerorchester in Auftrag gegebene Komposition „Alles Gute zum Geburtstag“ freuen, gefasst für Streichorchester, Bläser und Klavier.

Das Geburtstagskonzert findet statt am Sonntag, dem 30.1.2022 um 17 Uhr in der Stadthalle Attendorn.
Der Vorverkauf über die Tourist Info in Attendorn, alle ad-ticket-Vorverkaufsstellen sowie online beginnt am 15. Dezember, der Kartenverkauf über den örtlichen Buchhandel Anfang Januar.

Gute Streicher, die gerne im Kammerorchester mitspielen möchten, sind jederzeit herzlich willkommen. Nehmen Sie einfach Kontakt auf mit der Vorsitzenden Barbara Wilkmann oder der Konzertmeisterin Svenja Kohlmann.

Text : Barbara Wilkmann

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